14 Minuten für die Ewigkeit

Matthias VogelStories

Die DFB-Pokal-Partie gegen den 1. FC Köln haben die Sterner Fußballerinnen 0:10 verloren. Traurig war deswegen niemand – im Gegenteil

Es sind diese besonderen Spiele, die sich einem unauslöschlich ins Fußballgedächtnis brennen. Klar, die Sterner Mädels liefen im Zweitrundenspiel des deutschen Pokals dem Bundesligisten die meiste Zeit hinterher – bei 30 Grad im Schatten unglaublich anstrengend und frustrierend.

Und trotzdem waren alle Spielerinnen und das Trainerteam am Ende rundum glücklich. Weil sie es dem 1. FC Köln es genau 14 Minuten lang nicht erlaubten, ein Tor zu schießen. Weil sie sich mit den Besten ihrer Zunft messen durften, am eigenen Leib und aus nächster Nähe erfahren haben, worin die Unterschiede liegen und von dieser Erfahrung ihr ganzes Leben als Fußballerin zehren können. Weil sie das Spiel als Team noch enger zusammengeschweißt hat. Und weil sie das Ganze vor einer großartigen Kulisse erleben durften: Viele Geißböcke hier, deutlich mehr Sterne da – mächtig Stimmung war im Stadion Lichterfelde.

Stern hat für euch mit Coach Marco Böning und einigen seiner Fußballerinnen über dieses einzigartige Erlebnis gesprochen und ihre Sicht der Dinge aufgeschrieben.


Marco Böning, Trainer, ließ sein Team gegen die Kölnerinnen im 1-5-3-2 kicken:

“Die Stimmung vor dem Spiel in der Kabine war emotional positiv geladen. Es wurde getanzt und als wir als Mannschaft unseren Sterner Song „In Steglitz gibt’s nur ein Verein…“ gemeinsam gesungen haben, hatte ich und sehr viele andere im Team Gänsehaut. Das erlebt man in nur ganzen wenigen Vereinen. Mein Trainerteam und ich haben das Spiel genossen, tolles Wetter, ein wunderbares Amateurstadion, traumhafter Rasen, unsere fantastische „gelbe Wand“ und eine Bundesligist als Gegner.

Marco Böning stellt um: Aldijana Ibrisevic (Nr. 9) muss raus, Hannah Schmitz (vorne) kommt. Foto: Ralf Seedorff

Mir war bewusst, was im Spiel auf uns zu kommt und mit welchen taktischen Mitteln des Gegners wir uns auseinandersetzen mussten. In den ersten 17 Minuten haben wir das als Team wirklich gut gemacht. Unsere Abseitsfalle ging stets auf. Man merkte jedoch schon zu dieser Zeit, wie intensiv dieses Spiel, bei diesen Temperaturen, auf diesem großen Platz, für unsere Spielerinnen war. Immer wieder sah ich bei einigen Spielerinnen, dass sie an ihre Leistungsgrenzen gehen. Dadurch waren die Reihen nicht mehr in meinen gewünschten Abständen und das 0:1 fiel.

Unglücklich empfand ich die folgenden Spielminuten, als wir uns den Ball selbst ins Tor beförderten und noch einen Elfmeter verursachten. Diese drei Tore fielen zu schnell. Die weiteren Tore in der ersten Halbzeit zeigten die Klasse von Köln: Ein Schuss aus 22 Metern in den Winkel sowie die 1:1-Situation vor dem 5:0. Leider musste Aldi auch schon nach knapp 30 Minuten vom Platz.

Marco Bönig. Foto: Ralf Seedorff

Die Halbzeit war für unser Team extrem nötig, Schweiß floss, teilweise rote Gesichter. Aber wir waren weithin motiviert, die zweite Halbzeit wieder mit neuer Energie anzugehen. Auch hier waren die ersten fünfzehn, zwanzig Minuten wieder sehr ordentlich. Aber leider merkt man irgendwann den enormen Unterschied zwischen zweimal Training und sechsmal Training in der Woche. Und das über Jahre. Wir hätten gerne das 10:0 vermieden. Leider ein Eigentor, aber am Ende ist das positive Gefühl ganz stark. Auch ich habe gemerkt, dass ich bei diesem Spiel viel entspannter war, als bei den Ligaspielen.

Es war ein großartiger Tag für den ganzen Verein Stern 1900. Eine wunderbare Außendarstellung. Die Sterner-Familie ist etwas besonderes und zieht immer mehr Menschen in ihren Bann. Es freut mich auch für unseren Präsidenten Bernd Fiedler, der seit Jahren enorm viel Energie in diesen Verein steckt, aber auch für jede andere Mitarbeiterin, wie Bärbel oder Rolf, die diesen Verein enorm positiv prägen. Einfach nur großartig.

Applaus für die großartigen Fans von Co-Trainer Jason Schiller (li.), Torwarttrainer Patrick Neumann und Marco Böning.
Foto: Ralf Seedorff

Jetzt gilt der Blick auf die Liga und wir ziehen viel Energie aus dem Spiel. Das komplette Kölner Team war sehr sympathisch. Kurze Gespräche vor und nach dem Spiel zeigten viel Menschlichkeit. Ich wünsche ihnen für ihre Ziele in der Bundesliga alles Gute.”


Kathi Herber, erst Außenverteidigerin links, später rechts: 

“Den Unterschied hat man vor allem an der Schnelligkeit gemerkt. Die Kölnerinnen waren immer diesen einen Schritt eher am Ball. Und ich als Außenverteidigerin musste ja viele Sprintduelle eingehen, die ich sehr häufig einfach verloren habe. Es war ein körperlich viel anstrengenderes Spiel als gewohnt, nicht zuletzt vermutlich auch wegen der Wetterbedingungen.

Kathi Herber in Action. Foto: Ralf Seedorff

Alles in allem war es natürlich ein besonderer Tag, das Spiel im Stadion, die vielen Fans auf der Tribüne. Ich war meist so fokussiert, dass ich die Stimmung drumherum nicht so wirklich wahrgenommen habe, aber wenn ich einen Moment hatte, dann bekam ich schon etwas Gänsehaut. Auch auf den Wegen von und zur Kabine oder nach Ein-/ Auswechslungen. Dafür können wir schon sehr dankbar sein. Am meisten denke ich da immer an die Unterstützung der zweiten Frauenmannschaft, die sehr oft bei unseren Spielen ist.”

Kathi Herber in Action II. Foto: Ralf Seedorff

Elena Gabler, äußere Spielerin der Dreierreihe im Mittelfeld:

“Es war ein cooles Erlebnis mal gegen Profis zu spielen. Wir hatten uns vorgenommen, so lange wie möglich die Null zu halten und ich finde, wir haben es Köln bis zum ersten Tor relativ schwer gemacht. Im Gegensatz zur Regionalliga beziehungsweise jetzt zur Berlin Liga hatte man keine Zeit, den Ball anzunehmen. Sobald du den Ball hattest, waren sie sofort mit zwei, drei Spielerinnen bei dir und auch körperlich sehr präsent. Dennoch hat es Spaß gemacht und man hat sich über die kleinen defensiven Erfolge gefreut, die man erzielen konnte, wie die Abseitsfalle, Paraden, Grätschen, geklärte Ecken und sowas.

Wie immer alles rausgehauen: Elena Gabler. Foto: Ralf Seedorff

Die Stimmung beim Spiel war mal wieder grandios, wie bei jedem anderen Pokalspiel, was wir 2023 bestritten haben. Wir sind sehr dankbar, dass uns unsere Familie, Freunde und die Sterner-Familie immer so tatkräftig unterstützen. Wenn man vom Platz auf die Tribüne geschaut hat, hat man hauptsächlich gelb gesehen und dazu dann noch die Sterner Fangesänge, dass waren auf jeden Fall Gänsehautmomente. All diese Eindrücke und Erlebnisse der Pokalsaison waren für mich echte Highlight-Spiele und dadurch hab ich noch mehr Bock nächstes Jahr wieder im Pokalfinale zu stehen und die Saison mit einem Wiederaufstieg abzuschließen.”

Elena Gabler. Foto: Ralf Seedorff

Aldijana Ibrisevic, Außenverteidigerin, zu aller Leidwesen nach 30 Minuten verletzt ausgewechselt: 

“Es war eine mega Erfahrung, die man nicht so schnell vergisst, man kickt ja nicht alle Tage gegen Profis. Dementsprechend hat man auch einiges aus dem Spiel mitgenommen und die Unterschiede zwischen einer Profi- und Amateurmannschaft gesehen. Sehr auffällige Unterschiede waren natürlich die Athletik, die Fitness aber auch die Technik einzelner Spielerinnen und auch wie die Mannschaft als Kollektiv aufgetreten ist. Aber das war zu erwarten, überrascht hat mich das nicht.

“Aldi” Ibrisevic (li.) und Elena Gabler. Foto: Hauptstadtbolzer

Die Stimmung der Fans war enorm, es hat einfach Spaß gemacht vor einem Publikum zu spielen, dass uns von Minute eins an unterstützt und angefeuert hat, egal wie der Spielstand aussah. Ich hatte Gänsehaut. Man hatte das Gefühl hier geht was.

Das erste was ich mir in der Anfangsphase gedacht habe war: Wow sogar ein Bundesligist fällt auf unsere Abseitsfalle rein und das nicht nur ein, zwei Mal. Mal schauen, wie lange wir dieses 0:0 so halten können. Mir war aber auch klar, dass es ein Kampf in der prallen Mittagssonne lange die Null zu halten, was eigentlich mit anderen Worten heißt: Fehler dürfen wir uns nicht erlauben.

Aldijana Ibrisevic: “Amateure können Profis das Leben schwer machen.”

Meine Verletzung kuriert sich langsam aus, es ist sehr bitter aufgrund einer Muskelzerrung, die ich mir im Training zugezogen habe, so ein Riesenspiel zu versäumen beziehungsweise nach einer halben Stunde ausgewechselt werden zu müssen. Ob’s das wert war? Einerseits, absolut! Ich konnte mich mit Profis messen und zeigen, dass auch Amateure einem Profi das Leben auf dem Feld schwer machen können. Anderseits ist die Liga natürlich im Vordergrund und wichtiger, da wir um den Wiederaufstieg in die Regionalliga spielen. Eine langfristige Muskelverletzung wäre daher suboptimal, daher habe ich meinem Trainer auch die Auswechselung angezeigt, um Schlimmeres zu vermeiden.


Titelbild: Christian Müller