Auf einem guten Weg

Matthias Vogel1. Frauen, Stories

Wie Sterns Frauen an einer erfolgreichen Berlin-Liga-Saison arbeiten

Es ist ein Prozess, kein Wandel im Handumdrehen. So lautet das Zwischenfazit von Roman Rießler, Trainer der Sterner Fußballerinnen, nachdem der Großteil der Vorbereitung auf die Berlin-Liga-Saison absolviert ist. Gut vorangekommen sei sein Team, physisch wie spielerisch. „Und auch damit, unsere Spielidee mit Leben zu erfüllen“, sagt der Coach, der nach seinem Rücktritt als Headcoach bei der Ersten der Herren nahtlos das Amt des Trainers der Frauen übernommen hatte.

Wichtiger Baustein: Xenia Zeinert (am Ball) ist einfach brandgefährlich.

Der Wechsel war eine Rückkehr zu den Wurzeln. Lange hatte Rießler den großen Nachbarn aus Lichterfelde trainiert und mit den in himmelblau gewandeten Fußballerinnen genauso lange das Geschehen in der Regionalliga Nordost dominiert. Das ist deshalb eine Erwähnung wert, weil jetzt im Training noch nicht alles so läuft, wie er es gewohnt ist. „Manchmal fehlt mir bei einigen Übungen das volle Bewusstsein meiner Spielerinnen darüber, was eigentlich von ihnen verlangt wird und wie sie das am besten umsetzen können“, sagt Rießler.

Er sagt das nicht im Ärger. Vielmehr räumt er ein, dass sein Anspruch in den vergangenen Jahren möglicherweise auch weiter gewachsen sei. Und es sei auch alles schon viel besser geworden. „Meine Spielerinnen mussten sich daran gewöhnen, dass ich neben den Übungen stehe und verbessere, wenn etwas nicht so läuft, wie ich es gerne hätte.“ Mittlerweile sei aber auch die Erwartungshaltung des Teams an sich selbst gestiegen. „Die Frauen sind kritischer geworden und unzufrieden, wenn etwas nicht funktioniert“, so der Coach.

Umfunktioniert, weil stark im Spielaufbau und torgefährlich: Kapitänin Alina Cibusch.

In den Testspielen jedenfalls funktionierte vieles schon recht gut. Einem Remis gegen die Berliner Polizei-Auswahl folgten zwei weitere gegen die beiden Regionalligisten Türkiyemspor (2:2) und Hertha BSC (1:1). Der Brandenburger Landesligist SV Grün-Weiß Brieselang wurde mit 3:0 geschlagen und am vergangenen Wochenende setzte es für Herthas U23 auf dem Sterner ein 8:0. Zwar hatte die zweite Garnitur aus dem Westend nicht das komplette Personal an Bord und Stern ließ auch noch reihenweise Hochkaräter aus, dennoch hatte vor allem die Anfangsphase der Begegnung für Rießler durchaus Aussagekraft: „Wenn wir auftreten, wie in den ersten 20 Minuten, dürften viele Teams in der Berlin-Liga Probleme mit uns haben.“

Und noch eine Erkenntnis gewann Sterns Coach aus der Testreihe: „Wir waren bisher nie wirklich komplett, ein Einspielen gab es also nicht. Aber egal, wer da war – das Niveau hat gestimmt.“ Der Sterner Kader hat also qualitativ an Breite gewonnen. Dazu trugen auch ein ganzer Schwung Neuzugänge vom FC Viktoria bei. Anina Sange kehrte aus der Regionallliga-Elf aus Lichterfelde auf den Sterner zurück, dazu schlossen sich Magaretha Lorenz, Sarah Schütz und Kim Ollrogge aus der zweiten Garnitur den Steglitzerinnen an. Damit gewinnt die Mannschaft in allen Teilen an Stabilität. Und das kommt Rießlers Plan zupass.

Im Schatten der arrivierten Kräfte hat sich Sena Krüger zur starken Sechs gemausert.

Das Ziel für die bevorstehende Spielzeit ist zwar kein Konkretes. So lange wie möglich vorne bei der Musik sein will Rießler mit Stern. „Doch dafür ist eine sattelfeste Abwehr unabdingbar“, sagt er – bei allem Verlangen nach schicken Lösungen im letzten Drittel und hoher Effektivität vor dem Tor. Für das Spiel mit der klassischen Viererkette scheinen derzeit Marie Fröhlich auf der linken Seite und Diana Steinmeyer im Zentrum gesetzt. Auf dem rechten Flügel könnten Katharina Herber oder Aldijana Ibrisevic aufdribbeln, in der Innenverteidigung stünden Rießler Neuzugang Jette Wegner (Berolina Mitte) oder eben Kim Ollrogge für den Posten neben Steinmeyer zur Auswahl. „Das wird sich in der verbleibenden Vorbereitungszeit weisen“, sagt Rießler.

Was ist denn mit der bislang etatmäßigen Innenverteidigerin Alina Cibusch? Wurde umfunktioniert, agiert bei Rießler auf der 10. Das bereichert das Sterner Spiel um mehr schlaue Bälle in die Spitze, mehr Ruhe im Spielaufbau und um mehr Torgefahr. Als Beleg dient das jüngste Spiel gegen die U23 von Hertha. Zahlreiche Offensivaktionen liefen über die Kapitänin, dazu markierte sie drei der acht Kisten selbst.

Sophia Verheijen über außen? Keine schlechte Option für den Trainer.

In der Offensive ist seit dem Wechsel von Xenia Zeinert von Hertha zu den Steglitzerinnen in der vergangenen Saison ohnehin deutlich mehr Schwung. In Sarah Schütz steht Rießler darüber hinaus jetzt noch ein etwas anderer Spielerinnen-Typ als Alternative zur Verfügung. Durch diese beiden Personalien muss Torjägerin Emina Wacker nicht mehr an vorderster Front kicken. „Sie kann mit Schwung aus der Tiefe kommen, das macht sie meiner Ansicht nach noch einen Tick stärker“, sagt Rießler.

Gleich im ersten Spiel ist Stern nicht komplett

Zwei Testspiele stehen jetzt noch aus. Ein echter Prüfstein wartet am heutigen Sonntag auf die Sterner Frauen. Um 13.30 Uhr ist Anpfiff beim Dauer-Top-Team der Berlin-Liga Borussia Pankow. Und am kommenden Wochenende gastiert die U17 von Union Berlin auf dem Sterner. Rießler hat also noch ein bisschen Zeit, die Formation für das erste Punktspiel am 8. September zuhause gegen den Regionalliga-Absteiger Berolina Mitte (Anstoß 11.30 Uhr) zu finden. Gerne würde Rießler mit seinem Team da bereits „eine Duftmarke setzen“. Leider fehlen ihm dabei drei Spielerinnen, die er fest auf dem Zettel hatte. Ein Umstand, der Rießler gerade noch um ein Vielfaches mehr stört als Unkonzentriertheiten im Training: Ungünstige Urlaubsplanung. Aber wie er selber festgestellt hat: Es ist ein Prozess.


Fotos (5): Matthias Vogel