1. Herren: Das Ende der Fahnenstange

Matthias Vogel1. Herren, Stories

Sterner Männer siegen bei den Kickers nach einem hoch spannenden Berlin-Liga-Match 2:1. Can Cakin markiert den entscheidenden Treffer

Can Cakin war schon geladen, als er in der 76. Spielminute den Platz betrat. Co-Trainer Stefan Hohnstein hatte ihn auf dem Weg vom Aufwärmen hinter dem Sterner Tor bis zur Mittellinie zur Eile angehalten. „Ich lauf‘ doch schon“, zischte Cakin und fetzte sein Aufwärmshirt auf die Auswechselbank. Zunächst war durch seine Einwechslung kein Unterschied im Sterner Spiel zu erkennen, dem er neuen Schwung geben sollte. 1:1 stand es da, ein gerechter Spielstand, den das Trainergespann Roman Rießler und Hohnstein aber so nicht stehen lassen wollte und deshalb sämtliche Offensivpfunde in die Waagschale warf – eben Cakin.

Can Cakin nach seinem Treffer. Leicht diabolischer Blick, aber noch ahnt die Eckfahne nichts.

Kurz vor dem Ende der vor allem in der ersten Hälfte hochklassigen Partie war es dann so weit: Nach traumhaftem Zuspiel vom ohnehin stark aufspielenden David Vetter lief er plötzlich blank auf den Spandauer Keeper Nils Gardeike zu. Ehe ihn der letzte Verteidiger einholen konnte, packte Cakin den Ball in die aus seiner Sicht linke untere Ecke. Siegtreffer! Sterner Jubel überall! Und der Torschütze? Sprintete zur Eckfahne und trat so wuchtig dagegen, dass die in zig Teile zerbarst. Verletzungen, vorsichtig ausgedrückt unglückliche gelbe und gelb-rote Karten, kein Startelf-Platz – es war bislang einfach nicht seine Saison. Und all den Frust darüber bekamen nun die Kickers und ihre Eckfahne in einer Zehn-Sekunden-Sequenz spüren. Kurz darauf wurde die Partie abgepfiffen.  

In der ersten Hälfte war Marvin Özdal nicht zu halten.

Den Sieg kommentierte Sterns Trainer Roman Rießler so: „Das Spielglück ist also doch noch manchmal auf unserer Seite.“ Seine Einschätzung traf das Geschehen auf dem Kunstrasenrechteck ganz gut. Stern hätte auch verlieren können, ein Unentschieden wäre wohl gerecht gewesen.

Stark hatten beide Teams begonnen, mit optischen Vorteilen für Stern, aber durchaus brauchbaren Chancen für Spandau. Ein Kopfball strich links, ein Schuss rechts am 1900er-Kasten vorbei und nach einem Schlenzer von der 16er-Kante aus musste sich Keeper Cihan Caliskan mächtig strecken, um Schlimmeres zu verhindern. Auf der anderen Seite war Marvin Özdal über die Außen nicht zu bremsen. Bestimmt eine Handvoll Flanken schlug er von links oder rechts in die Box, ohne einen Adressaten zu finden. Das brachte Rießler auf die Palme: „Box besetzen!“, brüllte er über den Platz.

Am Ende waren Sterns Kapitän Lukas Rohana und seine Mannen obenauf.

Das zeigte Wirkung. Als Özdal wieder über die rechte Seite angestürmt kam und den Ball auf den Elfmeterpunkt legte, war Luca Rohr zur Stelle und markierte die Führung für Stern (25.). Ein wunderbares Tor in seiner Entstehung, weil das Zuspiel von Vetter auf Özdal perfekt temperiert war und Özdal die Kugel ohne Tempoverlust mit in den Lauf nahm und so diesen einen Meter Vorsprung auf seinen Bewacher bekam, den er für den Assist brauchte.

Nur kurze Zeit später hatte Oliver Gantzberg schon die Vorentscheidung auf dem Fuß. Nach einem Handspiel sprach der Ref Stern einen Elfmeter zu. Gantzberg übernahm die Verantwortung, scheiterte aber an Gardeike. Das Drama durfte also seinen Lauf nehmen.

Erneut eine bärenstarke Partie als Innenverteidiger: Felix Grützner.

Vermeintlich standen die Zeichen für Stern gut für die zweite Hälfte. Spandaus Goalgetter Orkan Tastan war kurz vor der Pause nach einem rüden Bodycheck an Mert Torun mit gelb-rot vom Platz geflogen (41.). Überzahl also für die Steglitzer. Das spielten sie aber nicht gut aus. Hier ein Zuspiel zu spät, da ein Ballkontakt zu viel – viele Torchancen gab es daher trotz erkennbarem Bemühen nicht.

Der Beweis: Nach diesem Foul an Olli Gantzberg zu Beginn der Partie hätte es Freistoß geben müssen. Hat es aber nicht.

Spandau indes verteidigte geschickt und hatte sehr wohl Tormöglichkeiten. Ein wuchtiger Fernschuss aus der zweiten Reihe verfehlte das Ziel nur knapp, dazu wirkte Sterns Hintermannschaft bei ein, zwei Ecken nicht sattelfest. Der Ausgleich fiel aber nach flachem Zuspiel – und zwar nach dem Schema des Sterner Treffers. Über rechts ging also die Post ab, es folgte die scharfe Hereingabe und am zweiten Pfosten entwischte Malick Fall seinen Bodyguard Torun: 1:1 (66.).

Bis zum Beginn der Nachspielzeit lieferten sich die Teams danach ein zähes Ringen um die Feldüberlegenheit. Bis Cakin kam und die Niederlage für die Kickers besiegelte – und das Ende der Fahnenstange.


Fotos: Ralf Seedorff